Wenn
Dann
Kann
Könnte
Wollte
Wöllte
Müsste
Sollte
Alles
Anders
Sein
Fuck
.
Ich bin falsch
Auf dem falschen Weg
Eingeschlafen.
Festgefroren.
Zur Salzsäule erstarrt.
Der Zug fährt an mir vorbei
Aber ich sitze nicht drinnen.
bin nicht eingestiegen
wurde nicht reingebeten.
–
Warum hält er nicht an?
Warum bittet mich niemand rein?
Warum lassen mich alle im Regen stehen?
Wer zum Geier schaut denn mal nach MIR?
.
richtig. niemand.
ertönt eine verbitterte Stimme tief in mir drinnen.
Also muss ich kämpfen.
Ums überleben.
Für Veränderung.
Für Verbesserung.
Für meine Ideale.
Für mich!
.
Idealismus
bringt mich zu Fall.
ich renne
ich ächtze
ich lechze
ich sehne
ich verzehre
mich
nach…
.
ja nach was eigentlich?
nach Erfolg?
Erfolg in was?
Nach dem Gefühl was geleistet zu haben.
Eine Heldin zu sein.
Etwas besonderes.
Geliebt.
Mein Vermächtnis.
Ist das falsch?
.
Hege ich einen solchen Bedeutungsdrang?
Warum kann ich nicht akzeptieren, das eigentlich alles im Leben unbedeutend ist?
Verglichen mit dem Universum…
Warum bin ich so egozentrisch
zu denken
ich hätte Bedeutung
Einfluss
Macht
Kontrolle
einen Sinn
und dann stellt sich mir die Frage:
Was glaubst du eigentlich?
WAS GLAUBST DU EIGENTLICH
???
.
Alle Glaubenssätze abgeschafft
zumindest alle die du finden konntest.
Alles rausgestrichen
radiert
mit schwarz übermalt
und dann doch die Seite zerissen
zerknüllt
in den Papierkorb geworfen
den Papierkorb aus dem Fenster geschmissen
wieder eingesammelt
und ordnungsgemäß zum Wertstoffhof gebracht.
„Prüfet alles und das Gute behaltet“
…
Aber
Was ist das Gute?
Was kam neu entdeckt dazu?
Was ist da?
WAS
IST
DA
?
…
Nichts?
…
Wie gelange ich zu solch einer hohen Erkenntnis?
…
Ist es wiederum anmaßend dies anzustreben?
…
Wenn am Ende der Suche im Schlimmsten Fall NICHTS auf mich wartet.
.
Nichts.
.
Aber doch!
Irgendwas ist immer!
Andernfalls wäre mein Bewusstsein doch tot?!
Irgendwas treibt mich doch an,
in Bewegung zu bleiben,
obwohl Stillstand so einfach ist.
Nach Idealen zu lechzen,
obwohl Idealisten haufenweise an sich selbst zerbrechen.
Nach MEINEM Sinn zu suchen,
obwohl mir tausend Plätze offen stehen.
Wo gehöre ich hin?
…
Wenn das mit der Zufriedenheit doch so einfach wäre.
und für mich
nicht der Inbegriff vom Aufgeben meiner Ideale bedeuten würde.
Von dem Verrat an den Möglichkeiten
gleichzusetzen mit Stagnation und Stillstand
und vor allem der Raub meiner Sinnhaftigkeit.
Meines
Geltungsdrang?
.
Eine Folie ist niemals schwarz / weiß.
Man kann auf mehr als einer Seite vom Esel fallen.
Niemand weiß wo sich die Grube befindet.
Eine Fensterscheibe kullert den Hang hinab.
Ein Zombie greift Barack Obama an…
und mein Kopf gibt auf bei zu großen Fragen,
dessen Antwort mich zu stark definieren würde,
an einem Ort der kompletten NICHT-IDENTIFIKATION mit irgendwas!
Wir drehen uns im Kreis
wieder und wieder
Sarah Kane! – denke ich
hättest du mal die Antworten gefunden auf Fragen, die du nie hättest stellen sollen.
.
Vielleicht kommen Antworten
Ohne Fragen
Vielleicht kommt Bewegung
Ohne Gas zu geben
Vielleicht kommt es alles so
wie es soll
wenn ICH nicht im Weg stehe.
.
Zufriedenheit statt Sinneskampf?
oder
Zufriedenheit statt Widerstand?
Wer weiß das schon.
Sabine
…die Glaubenssätze, mitsamt Papierkorb entsorgt und dann doch zum Wertstoffhof gebracht…
Und bei mir gleich die Anschlussfragen: Kann noch jemand etwas mit ihnen anfangen? Werden sie recycelt und in wie kleine Fragmente müssen sie dafür zerlegt werden? Und geht das überhaupt: ein Leben ohne Glaubenssätze? Auf meinem inneren Billardtisch sind fast alle Kugeln angestoßen worden und ich fühle Bewegung und Dynamik durch deinen Text, Anke. Und auch wieder Stillstand und die Notwendigkeit von Geduld.
Ich hab den zweiten Dezembereintrag einmal allein gelesen beim Spaziergang mit Malouk, einmal mit meinen Eltern über ihn gesprochen und ihn mir zweimal vorlesen lassen – einmal von Mikasch und einmal von Judith. Und mir ist eingefallen, dass es einen Parallelgedicht gibt, von Rilke, das heißt „Über die Geduld“. Das haben wir dann auch alle gelesen.
Das Lebensgefühl deines Textes holt mich / uns sehr ab und ich staune, wie sehr sich die Fragen gleichen in so unterschiedlichen Lebensphasen. Und ich freu mich, dass du dich mitteilst, dass wir TeilhaberInnen werden dürfen an deinen Gefühldanken und Gedankfühlen…
Und jetzt Rilke.
Über die Geduld
Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…
Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke, Viareggio bei Pisa (Italien), am 23. April 1903