Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich sehr stark gelernt abzuschließen. Sich emotional von etwas zu entkoppeln (Lustig, dass ich selbst hier intuitiv „sich“ statt „mich“ geschrieben habe). Nicht mehr dran zu denken. Weiterzumachen.

An sich eine sehr praktische Fähigkeit. Allerdings lässt sie dich weniger stark in Dinge involviert sein und deine Lebensrealität ist nicht so gefestigt, wie bei anderen Menschen. Von einem Moment auf den anderen kann alles anders sein. Und du nimmst es so hin. Akzeptierst es, ohne dich groß dagegen zu sträuben. Und schließt mit dem Alten ab. Mathematisch betrachtet setzt du also weniger auf Konstanten in deinem Leben. Sondern gehst mit der Veränderung.

Es ist ein Schutzmechanismus, den du erlernt hast. Oder ein Vertrauensproblem. Vielleicht sogar ein Realitätsverlust?

Gezwungenermaßen wurde ich regelmäßig in die Situation gestoßen mich emotional zu entkoppeln und abzuschließen. Ich war eine Art Spielball. Mal war ich im kompletten Aufmerksamkeitsfokus und wurde mit Interesse, Zuneigung und Zärtlichkeit genährt, dann lag ich wieder vergessen in der Ecke, ignoriert und wurde fast sogar als Last wahrgenommen. Eine Bipolarität, auf die man erst einmal klar kommen muss. Du bist nicht derjenige, der enscheidet oder gar Einfluss darauf hat, in welchem Stadium du dich gerade befindest. Ich habe zwar gelernt, was Interesse nährt und was nicht, aber auf eine vielleicht nicht gerade gesunde Art und Weise: Playing hard to get. Playing to be mysterios. Hochstatus. Und ich wurde Meisterin darin, Umstände zu generieren, die bestimmte Ereignisse katalysieren. Aber auch das Kugel sein (ein eigentlich gutes Konzept) schafft Interesse. Natürlich war ich auch nur der Spielball, weil ich es darauf ankommen ließ. Wille und Neugier, aber vor allem Liebe stärker als Würde. Jedes mal, wenn es vom Interessestatus zur Ignoranz wechselte, fühlte es sich wie ein Messerstich in meine Seele an. Meine Position hielt mich aber gefangen. Ich wusste, es könne nie anders sein. Und um den Schmerz zu ertragen entkoppelte ich mich schlicht und ergreifend von ihm. Denn was gab mir schon das Recht, meine Liebe zu verfolgen? Und ordnete ich die Ereignisse überhaupt richtig ein? Was ist mein Wert? Mein Recht zu erwarten? Darf ich überhaupt erwarten? Ich wurde in mir selber eingeschlossen. Mein Wirkungsgrad reduziert. Ich hörte auf in den Realitäten der anderen zu wirken. Ich ließ sie sein. Unverändert. Setzte keine Impulse. Sondern überließ ihnen die komplette Willensfreiheit. Und wenn du gerade mit der Person abgeschlossen hast, kommt sie wieder. Von sich aus. Mit 100%iger Einnahme. Bis ihre Bedürfnisse gestillt sind. Menschen, die im Überfluss haben und nach Freiheit und Optimum streben und sich eben nicht in dich hineinversetzen und dadurch deine Würde und Gefühle schützen würden. Eine gewisse Ignroanz der anderen Person gegenüber, eben weil sie nur einen Nebencharakter spielt. Entwürdigung. Entwertung. Die harte Realität? Ich will definitv nicht alles schlecht reden. Es war mit die schönste und lehrreichste Zeit in meinem Leben! Aber eben eine mit einer dunklen Kehrseite, die mir manche mir negativ auffallenden Prägungen aufgdrückt hat. Hunderte Male lernte ich Abzuschließen.

Letzten Sommer war ich dann auf einem Rave im Wald. Ich unterhielt mich lange mit einem Jungen. Sehr deep dafür, dass ich ihn erst am selbigen Abend kennenlernte. Und aus dem nichts heraus meinte er plötzlich: „Du bist eine Person, die sehr schnell mit Dingen abschließt. Alles hinnimmt, wie es halt so passiert. Nicht lange sich über etwas aufregt, sondern lösungsorrientiert einfach macht.“ Ich war ziemlich erstaunt über diese ungefragt erhaltene Persönlichkeitseinschätzung. Irgendwie haben sich diese Worte in mein Herz eingebrannt. Sodass ich sogar noch jetzt, 7 Monate später darüber nachdenke.

Hip oder Hop. Dieser Status prägte mich. Doch nun lerne ich Beständigkeit kennen. Ich habe Angst. Angst vor dem Kippmoment. lch habe gelernt mich nicht auf das Hip zu verlassen und mich daher schon in diesem Zustand zurückzunehmen und bedacht zu sein, um nicht im vollen Tempo gegen die plötzlich auftauchende Mauer zu rasen. Aber nun lerne ich wie wertvoll es sein kann Stück für Stück Tempo aufzunehmen. Gemeinsam. Und keiner steigt plötzlich aus dem Wagen. Nicht blind. Aber ein Weg der Stück für Stück verlorenes Vertrauen aufbaut!

Mein neuer Dozent (der mich im Übrigen bestimmt noch zu dem ein oder anderen Artikel inspirieren wird, einfach weil er auf eine sehr persönlich, intensive, reichhaltige Art mit uns arbeitet) sagte heute: Nicht die Sicherheit war es, die ihn an seine Frau band. Sondern die Freiheit.

Bindung und Freiheit. Zwei widersprüchliche Dinge für den einen. Zwei unbedingt zusammengehörende Dinge für mich!

Freiheit. Im Sinne davon, dass jeder seine Kugel nicht verliert, sie sich aber überschneiden dürfen. Freiheit im Sinne davon, sich in den anderen hineinzuversetzen und seine Grenzen und Bedürfnisse zu achten. Freiheit im Sinne davon, genügend Raum für die individuelle Entfaltung zu haben. Freiheit im Sinne von im angemessenem Maße lieben zu dürfen. Freiheit im Sinne von im angemessenen Maße geliebt zu werden.

Heute stehe ich vor keinem Abschluss. Sondern vor einem Anfang. Von was? Wir werden sehen!